GDV will Provisionen für Renten und Lebensversicherungen begrenzen

Die Zahlung von Provisionen an Versicherungsmakler für die erfolgreiche Vermittlung einer Renten- oder Lebensversicherung gehört zum alltäglichen Geschäft deutscher Versicherungsunternehmen. Die seit Jahrzehnten etablierte Abrechnungspraxis könnte jedoch bald der Vergangenheit angehören. Wie verschiedene Zeitungen, beispielsweise die renommierte Süddeutsche, in einer aktuellen Ausgabe vermeldet, regt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungsbranche (GDV) die Begrenzung der Provisionen für das Maklergeschäft an. Beschlossen ist in dieser Frage noch nichts, allerdings deutet sich an, dass die GDV die zukünftige Bundesregierung für dieses Vorhaben gewinnen möchte. Während einzelne Unternehmen der Versicherungswirtschaft Alarm schlagen, begrüßen Verbraucherschützer den Vorstoß, der zu einer Abwendung vom profitorientierten Vertragsabschluss hin zu einer besseren Beratung des einzelnen Kunden führen könnte.

Ein Blick auf die Abrechnungs- und Provisionspraxis in Deutschland

Der Abschluss einer Rentenversicherung oder Lebensversicherung in Deutschland ist stets mit der Zahlung von Provisionen für den Vermittler verbunden. Neben Versicherungen gilt dies vielfach auch für Finanzprodukte und soll einen Anreiz für den Vermittler darstellen, erfolgreich Verträge für seinen Auftraggeber zu vermitteln. Die Arbeit freier Makler ist hiervon ebenso betroffen wie die Vermittlung einer Rentenversicherung oder Lebensversicherung in der Agenturarbeit etablierter Versicherer. Das erfolgsorientierte Modell ist über die Jahrzehnte zur finanziellen Grundlage für viele Makler geworden, die durch individuellen Einsatz und hohe Motivation zu einer größeren Zahl an Vermittlungen gelangen und hierfür mehr Provisionen als ihre Konkurrenten erhalten.

In den Augen aller Kritiker des Modells hat die sichere Gewähr von Provisionen zu einer Abkehr von der neutralen und kundenorientierten Beratung geführt. Zahlreiche Makler seien bei der Vorstellung von Finanz- oder Versicherungsprodukten vorrangig an einem schnellen Vertragsabschluss interessiert, da dieser bares Geld in Form einer Provision durch die Muttergesellschaft bedeutet. Da die Provision prozentual über die Beitragssumme des Versicherungsnehmers ermittelt wird, stünde zudem der Abschluss hoch dotierter Verträge im Vordergrund, die möglicherweise nicht den Verhältnissen des Versicherungsnehmers entsprechen. Mit ihrem Vorstoß regt der GDV nun an, diese Praxis zu durchbrechen und anstelle der frei vom Markt bestimmten Provisionen eine gesetzliche Obergrenze festzulegen. Als erste Diskussionsgrundlage wurde ein Wert von vier Prozent der Beitragssumme als höchste Provisionsgrenze genannt.

Auch Anpassung der Stornohaftung als Variante im Gespräch

Neben der reinen Absenkung der fest ausgezahlten Provisionen behandeln Arbeitsgruppen des GDV weitere Anpassungsmöglichkeiten, beispielsweise eine Heraufsetzung der Stornohaftung. Die Regelung nimmt auf die Möglichkeit Bezug, dass der Versicherungsnehmer den Vertrag seiner Rentenversicherung oder Lebensversicherung bereits kurz nach dem Abschluss wieder kündigt und dem Makler hierdurch nicht die gesamte Provision zustünde. Diskutiert wird bei der Frage aktuell die Anhebung der Stornohaftung von fünf auf zehn Jahre, wobei dem Versicherungsmakler zu unterschiedlichen Zeitpunkten dieser langen Zeitspanne seine Provision anteilig gewährt würde. In der Gesamtsumme könnten bei einer Anhebung weiterhin höhere Provisionen als die bereits erwähnte Grenze von vier Prozent erwartet werden.

Wirtschaftliche Entwicklungen im In- und Ausland als Faktor

Vor allem die aktuelle Niedrigzinsphase der Versicherungsbranche wird als Einfluss genannt, der im alltäglichen Versicherungsgeschäft Herausforderungen für Vermittler mit sich bringt und durch die Anpassung der Provisionszahlungen die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen gewährleisten soll. Für eine Rentenversicherung oder Lebensversicherung mit Garantiezins wird aktuell ein historisch niedriger Garantiezins von 1,75 % p. a. gewährt, für die nächste Legislaturperiode wird sogar eine erneute Absenkung des Zinssatzes erwartet. Mit einer Begrenzung der Provisionen regt der GDV an, das Honorar einer Vermittlung den zu erwartenden Renditen für den einzelnen Versicherungsnehmer anzupassen.

Außerdem verweist der GDV darauf, dass die Zahlung einer Provision für Verträge im Bereich Lebensversicherung oder Rentenversicherung eher ein deutsches Modell darstellt. Andere Nationen wie Großbritannien oder Schweden würden zwar Provisionen für Makler und Vermittler kennen, diese jedoch nicht in den Bereichen der Lebens- und Rentenversicherung auszahlen. In vielen Nationen ist die Zahlung eines Honorars durch den Kunden üblich, dessen Höhe sich an der Qualität und Zeit der Beratung orientiert. Eine derartig extreme Umstellung in Form der Abschaffung sämtlicher Provisionen ist zwar nicht zu erwarten und auch vom GDV nicht gewünscht, allerdings ist eine Anpassung der gültigen Regelung an eine gemeinschaftliche, europäische Linie in der Versicherungswirtschaft auf lange Sicht nicht zu vermeiden.

Versicherungswirtschaft schlägt Alarm

Erwartungsgemäß haben die Unternehmen der Versicherungsbranche mit Enttäuschung und Verärgerung auf die Gedankenspiele des GDV reagiert. Sowohl für große Vertriebsgesellschaften der Branche als auch für einzelne freie Makler stellt die Ankündigung eine große wirtschaftliche Gefährdung dar. So finanzieren sich freie Vermittler zu einem wesentlichen Teil über die Provisionen, die ihnen für eine erfolgreiche Vermittlung vom entsprechenden Versicherungskonzern ausgezahlt werden. Dies gilt sowohl bei der Arbeit für einen einzelnen Versicherer als auch für unabhängige Versicherungsmakler, die sich aus einem großen Portfolio der Lebens- und Rentenversicherung bedienen und nach einer umfassenden Analyse des einzelnen Kunden verschiedene Versorgungskonzepte vorstellen.

Das Argument, dass die Vermittlung auf Provisionsbasis zu Lasten einer umfassenden Beratung des Kunden geht, wollten verschiedene Sprecher einzelner Versicherer nicht gelten lassen. Stattdessen sei es im wirtschaftlichen Interesse des einzelnen Vermittlers, durch eine freundliche und direkte Vermittlung Vertrauen beim Kunden zu wecken und für diesen über die gesamte Vertragslaufzeit hinweg ein kompetenter Ansprechpartner zu sein. Bei Unzufriedenheit des Kunden, z. B. aufgrund einer ausbleibenden oder mangelnden Beratung, sei schließlich die Kündigung der Renten- oder Lebensversicherung bzw. die generelle Abkehr von der eigenen Beratertätigkeit zu erwarten. Genau dies liegt nicht im Interesse der einzelnen Vermittler, die deshalb neben dem erhofften Vertragsabschluss die Beratung des einzelnen Kunden nicht zu kurz kommen ließen. Allerdings stellt das Provisionssystem einen wesentlichen, wirtschaftlichen Anreiz für eine motivierte Berufstätigkeit dar, die durch den GDV nicht einfach abgeschafft oder gekürzt werden sollte.

Kürzung der Provisionen als Chance für den einzelnen Verbraucher

Auch wenn obige Aussagen aus Sicht der Versicherungsbranche verständlich sind, haben Umfragen in den letzten Jahren ein etwas anderes Bild auf die Finanz- und Versicherungswirtschaft geworfen. Vielfach gaben Bundesbürger an, nicht mit der Beratungstätigkeit ihrer Finanz- oder Versicherungsmakler zufrieden gewesen zu sein. Gerade bei Produkten der fondsfinanzierten Lebensversicherung oder Rentenversicherung wurden viele Details oftmals nicht ausreichend erklärt. Ein geringer Teil der Bundesbürger gibt zudem an, dass nach ihrem Eindruck beim Beratungsgespräch durch einen Versicherungsmakler grundsätzlich ein schneller Abschluss im Vordergrund stünde, unabhängig vom wirklichen Nutzen des Vertrags für den einzelnen Versicherungsnehmer.

Auch wenn die gesamte Versicherungsbranche kaum so pauschal bewertet werden kann – jeder Vermittler muss seinen eigenen Weg zwischen umfassender Kundenbetreuung und wirtschaftlicher Lebensführung finden. Die Herabsetzung der Provisionen, wie sie durch den GDV angeregt wird, kann die persönlichen Schwerpunkte in dieser Hinsicht verschieben und den Kunden mit seinen individuell benötigten Leistungen einer Renten- oder Lebensversicherung stärker in den Vordergrund rücken. So erhöhen sich die Chancen, dass lohnenswerte Versicherungsprodukte abgeschlossen werden, die heute aufgrund eines zu geringen Provisionswertes für den Vermittler eher in den Hintergrund geraten.

Die Kehrseite sei nicht verschwiegen, die im Extremfall zu einem geringen Service am Kunden führen könnte. So mag es nach Umsetzung der Anregungen durch den GDV dazu kommen, dass sich viele Makler vom Geschäft der Lebens- und Rentenversicherung stärker zurückziehen und ihren Vermittlungsschwerpunkt auf andere Bereiche mit reizvolleren Provisionen legen. In diesem Fall entscheidet der freie Markt, welche Vermittler weiterhin ihre Chancen in der privaten Altersvorsorge sehen und Kunden bei einer etwas geringeren Konkurrenz einen umfassenden Service und reizvolle Versicherungsprodukte anbieten möchten. Da eine konkrete Umsetzung der genannten Anregungen noch aussteht, kann in der aktuellen Phase über die Auswirkungen nur spekuliert werden.

Entwicklung der Provisionszahlungen bleibt abzuwarten

Eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Provisionen in der Versicherungswirtschaft dürfte erst im folgenden Jahr und unter einer neuen Bundesregierung konkrete Veränderungen aufzeigen. Da die neue Zusammensetzung des Bundestags zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekannt ist, bleibt die politische Ausrichtung der Entscheidung ebenfalls noch offen. Unabhängig hiervon scheint es in einem zusammenwachsenden Europa mit einer immer stärker vernetzten Versicherungsbranche und grenzüberschreitend abgeschlossenen Verträgen unumgänglich, verschiedene deutsche Regelungen anzupassen. Der GDV wagt aktuell diesen Vorstoß und kommt so einer möglichen Reglementierung auf europäischer Ebene zuvor, die aufgrund der erheblich anderen Umgangsweise in vielen Ländern der EU drohen könnte.

Unabhängig der ersten Reaktion der Versicherungswirtschaft sei ein abschließender Blick auf die aktuellen Provisionszahlen erlaubt, um eine Relation zum Status Quo herzustellen. Die Höhe der Provisionen von Agenturen, die aktuell für nur einen Versicherer bzw. für Mehrfachagenturen die Vermittlung in den Bereichen Lebensversicherung und Rentenversicherung übernehmen, wäre von der Neuregelung kaum betroffen. Die angesprochene Grenze von vier Prozent der Beitragssumme wird bereits heute von ihnen nicht erreicht, so dass de facto keine Veränderung einträte. Anders sieht dies bei komplett unabhängigen Versicherungsmaklern sowie Großvertrieben aus, deren Vermittler aktuell mehr als vier Prozent an Provisionen erwarten dürfen. Da der Marktdurchschnitt für diese Vermittler zwischen vier und fünf Prozent liegt, würde die angeregte Neuregelung durch den GDV zwar eine Beschneidung der Einnahmen darstellen, jedoch nicht in einem drastischen Bereich.

Auf den Versicherungsmarkt in Deutschland kommen somit zeitnah Veränderungen zu, und dies nicht alleine durch die wahrscheinliche, erneute Absenkung des Garantiezinses. In der angedachten Abänderung der Provisionspraxis des GDV liegen Risiken und Chancen gleichermaßen, die aktuell nur schwer abzuschätzen sind. Die konkreten Entwicklungen werden zeigen, ob die Renten- und Lebensversicherung hieraus gestärkt hervorgehen wird.

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